Markus Söders Kreuzzug verlässt die Amtsstuben: Nun sollen Kruzifixe auch in der freien Wildbahn sichtbar sein. Der Plan des bayrischen Ministerpräsidenten ist ebenso perfide wie perfekt: Windräder werden unablässig die Kreuzform zeigen. Dafür müssen sie praktisch stillstehen. Und mit ihr die Energiewende. Windkraftgegner sind im siebten Himmel.

Keine Bewegung! Windräder müssen künftig ständig das Kreuzzeichen darstellen – ein Rotor hoch, zwei gespreizt. Markus Söders kultureller Kreuzzug hat damit die Energiewende erreicht. Und gestoppt. (Foto: © Windkraft Satire)

Die Initiative „Windkreuz des Südens“ bereitet gerade einen bundesweiten Bürgerentscheid zu Söders Unterstützung vor. Das Ziel: Auf einen Schlag sollen die über 28000 Windräder[1] in Deutschland dauerhaft ein Kreuz schlagen. Dafür müssen die Rotoren in einer Position einrasten, dass ein Flügel steil nach oben ragt und die beiden anderen zu den Seiten zeigen. „Nur so verleihen wir unserer deutschen Identität und unseren christlichen Werten an höchster Stelle Ausdruck“, sagt Initiativen-Sprecher Chris Kross aus Bad Nachkreuz. Mit ähnlichen Worten hatte Bayerns neuer Ministerpräsident Söder zuletzt erklärt, warum er in allen Ämtern des Freistaats ein Kreuz an unschuldige Wände nageln wolle.[2]

Die ersten Aktivisten ketten sich in einer Gorillaaktion an Windrad-Rotoren

Söder soll auf Einladung von Kross als Pate wie ein abendländischer Wetterhahn über den Bürgerentscheid wachen. „Endlich würden Windräder sinnvoll genutzt“, sagt Chris Kross. Das Landschaftsbild werde durch die heiligen Windenergieanlagen natürlich enorm aufgewertet. „Unsere befreundeten Windkraftgegner haben nie etwas anderes behauptet“, versichert der Initiativen-Sprecher.

Das Problem: Von Bayern selbst geht bisher nur eine bescheidene Außenwirkung im öffentlichen Wind-Raum aus, hier sind durch perfekte Verhinderungspolitik aktuell nur dreieinhalb Windenergieanlagen in Betrieb, Tendenz fallend. Schon schwärmen die Südkreuz-Aktivisten in alle Herren Bundesländer aus und ketten sich in einer Mischung aus Guerilla- und Gorillaaktion an Windradrotoren. Die aktuelle Stromeinspeisung aus Windrädern soll auf diese Weise möglichst schnell von jährlich über 100 Terawattstunden (2017)[3] auf nahe Normalnull gedrückt werden. Chris Kross empfindet die dadurch entstehende Stromlücke nicht als Gefahr für die technisierte Zivilisation: „Unsere kulturellen Wurzeln reichen doch bis in eine Zeit zurück, als es noch gar keine Elektrizität gab!“

Fossile-Energien-Lobby (FoUL): Unsere Zukunft liegt in Polens Kohle

In altbewährter Amigo-Manier flankiert die Fossile-Energien-Ultra-Lobby (FoUL) aus München die von Süden ausgehende Kreuzigung der Windenergie. Allianz SE und Münchener Rückversicherung finden den Klimawandel zwar beklagenswert. Offenbar meinen sie damit aber jenes Klima, das sich im Zuge der Erneuerbaren Energien gegen die Kohleverstromung gedreht hat. Denn über Tochterfirmen stecken die süddeutschen Großkonzerne nach wie vor Millionen Euro in neue Kohlekraftwerksprojekte in Polen.[4] Der weitgehend katholische Nachbarstaat schlägt aus Dankbarkeit drei Kreuze und will damit Gott bei der teuflisch guten Ausbeutung der Stein- und Braunkohlevorkommen besänftigen.

Das Kreuz des Söders birgt also eine viel tiefere Bedeutung als den bloßen Abwehrwahlkampf gegen die AfD im bayrischen Herbst. Es ist sein Glaubensbekenntnis an die Dreieinigkeit wider die Energiewende:
1. Die Klimasschutzziele innerhalb der Bundesregierung verwässern[5]
2. Zusätzliche Sonderausschreibungen im EEG für Wind- und Solarenergie verschleppen[6]
3. Windräder endgültig ans Kreuz nageln.
Amen.

[1] Zahlen gemäß Statistik des Bundesverbands WindEnergie.
[2] Den heiligen Söder-Tweet veröffentlicht auch das Satiremagazin Der Postillon.
[3] Die BWE-Statistik zur Stromeinspeisung für 2017 steht hier.
[4] Die Journalisten von Klimaretter machen hier darauf aufmerksam.
[5] Aktuelle Entwicklungen zum EEG im April 2018 sind hier beschrieben.
[6] ebenda

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