Einen langen Atem benötigt die Windenergie auf dem politischen Sektor. Besonders in Bayern, das im November 2014 mit rein politisch motivierten Abstandsregelungen die eigenen Ausbauziele als Scheinmanöver demaskierte. Atomausstieg und Energiewende zu propagieren ist die eine Seite. Das geht Politikern oft leicht über die Lippen. Diese Absichtserklärung auch durch gesetzliche Vorgaben zu unterfüttern ist die andere Seite. Und dort fallen Politiker gerne in die energiepolitische Steinzeit zurück, in der Kohle und Atom regieren.
Die Aufgabe des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) ist es, der nachhaltigen Energieproduktion eine Chance gegen die Vormachtstellung der atomar-fossilen Energiewirtschaft einzuräumen. Einem Wirtschaftszweig, der über Jahrzehnte von Milliarden-Subventionen profitiert hat und dessen Folgekosten durch Klima-, Luft- und Umweltzerstörung weitere Milliarden verschlingen wird.
Wenn Politiker bei der Veränderung des EEG von „Strompreisbremse“ oder „Akzeptanzsteigerung der Erneuerbaren Energien“ reden, ist Vorsicht geboten. Sie sprechen oft mit doppelter Zunge und wecken bei der Energiewende negative Assoziationen, die das Klima für die Transformation des Energiesystems vergiften sollen.
Schlechtestes Beispiel ist das Bundesland Bayern, das seit jeher der Atomkraft die Hauptrolle bei der Energieerzeugung gegeben hat. Das flächenmäßig größte Bundesland besitzt entsprechend immensen Nachholbedarf zum Beispiel bei der Produktion von Grünstrom. Während andere Bundesländer ihren Stromverbrauch inzwischen zu mindestens 20 Prozent aus erneuerbaren Quellen decken, hängt Bayern hinterher.
Und Bayern wird mit seinem CSU-Ministerpräsidenten Horst Seehofer weiter mit doppelter Zunge sprechen. Nämlich im ersten Satz den Ausbau der Windenergie befürworten, im zweiten Satz aber sofort das Gegenteil raumplanerisch festzurren.
Bayerns Energiekonzept für 1500 Windräder landet auf der Müllhalde
So besteht das aktuelle Energiekonzept erst seit Mitte 2011, wie so viele energiepolitische Einsichten angeschoben von der Atomkatastrophe in Japan. Das Stiefkind bayrische Windenergie sollte binnen zehn Jahren auf etwa zehn Prozent Anteil am Strombedarf im Bundesland wachsen. Bis 2021 sollten so etwa 1500 neue Rotoren den Wind ernten.
Seit Januar 2014 lesen sich die ohnehin nur relativ ambitionierten Nachhaltigkeitsziele der bayrischen CSU gänzlich anders. Da verabschiedete die Landesregierung eine Richtlinie, nach der Windenergieanlagen künftig nur noch bis auf das Zehnfache ihre Höhe an örtliche Bebauung heranrücken dürfen (so genannte 10H-Abstandsregelung). Aus früher minimal 800 Metern Abstand werden so leicht zwei Kilometer. Der Bundesverband Windenergie warnte angesichts dieser Entwicklung davor, dass bei einem Mindestabstand der zehnfachen WEA-Gesamthöhe nur noch 0,05 % der Landesfläche Bayerns für die Windenergie nutzbar wären.
Die bayrische Regierung wies zudem ihre Behörden auf den nächsten Ebenen an, mit der Verabschiedung von Regionalplänen zu warten, bis die neue Initiative in Gesetzesform gegossen sei. In der Folge lagen ab August 2013 genehmigungsfähige Anträge für Windparks auf Eis. Projekte, die durch das bayrische Energiekonzept 2011 erst beflügelt worden waren. Da für sie nun die neuen Abstandsregelungen zur Bebauung greifen sollen, fehlt ihnen auf einmal die Genehmigungsgrundlage. Millionen Euro an erbrachter Vorleistung und viele der rund 12 000 Arbeitsplätze in der Branche stehen somit vor dem Aus.
Erste Windmüller wollen ihr gutes Recht einklagen
Die ersten Windkraftplaner äußerten inzwischen ihre Absicht zu klagen. Ihnen wurde in der Zeit von August 2013 bis Januar 2014 wegen der Münchener Hinhaltetaktik der Bescheid über einen genehmigungsfähigen Antrag einfach verweigert. Projekte, die seit vielen Monaten auf der Basis des bayrischen Öko-Konzepts von 2011 geplant worden waren, sind bedroht. Weil Bayern auf Ministerpräsident Seehofers Initiative seine Fläche, die relativ dicht besiedelt ist, für die Windenergie nun noch weiter verknappt.
Von den 1500 Windrädern, die für 50 Prozent Anteil grünen Stroms in Bayern sorgen sollten, bleiben so deutlich weniger als 50 übrig. Das befürchtet die Klagegemeinschaft, die nun den juristischen Streit mit der CSU sucht.
Bayern ändert Bauordnung mit Stichtag 20. November 2014
Das Ziel ihrer Klage hat sich mit Stichtag 20. November 2014 manifestiert: An diesem Tag trat eine Änderung der Bayerischen Bauordnung in Kraft. Sie privilegiert den Bau von Windrädern im Außenbereich. Der Paragraf 35 Abs. 1 Nr. 5 des Bau-Gesetzbuches gilt für Bayern nur noch dann, wenn Windräder den Mindestabstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden einhalten. Darunter sind Windräder nicht länger privilegiert.
Die bayrische Anti-Windenergie-Gesetzgebung geht aber noch weiter. Sie schließt auch bestehende Flächennutzungspläne mit Windvorrangzonen ein. Sind dort Windräder im Abstand von weniger als dem Zehnfachen zur Wohnbebauung möglich, soll dies weiter erlaubt sein. Es sei denn, binnen sechs Monaten ab Änderung der Bayerischen Bauordnung wendet sich die Standortkommune selbst oder eine Nachbargemeinde gegen diese Vorrangzonen. Damit sind willkürlichen Angriffen gegen weit fortgeschrittene Windenergieprojekte auf einen Schlag Tür und Tor geöffnet.
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