Corveys Schlossgeister sollen fünf Windräder vertreiben


Ein Gespenst geht um. Darauf hoffen jedenfalls verzweifelte Gegner der Erneuerbaren im äußersten Osten Westfalens. Sie setzen ihre letzte Hoffnung im Kampf gegen Windräder in übernatürliche Wesen. Corveys Schlossgeister sollen fünf Windräder im benachbarten Fürstenau aufhalten.

Corveys Schlossgeister sollen für den Kampf gegen neun Kilometer entfernte Windräder instrumentalisiert werden. Doch auch sie sehen aus den Türmen nichts außer Baumwipfeln. (Foto: falco auf Pixabay)

Es ist das nackte Grauen. Was sollen städtische Bedienstete wie Thomas Schwingel aus Höxter bloß tun gegen Windmühlen, wenn nicht einmal mehr auf das Merkelsche Klima-Gruselkabinett Verlass ist?[1] Schwingel sieht böse Mächte am Werk, die in neun Kilometern Entfernung von Höxters Schloss Corvey Windräder errichten wollen! Nur neun Kilometer Abstand zum Heiligtum!! Lediglich das Sechsfache der 1500-Meter-Marke[2], die von den Klimawandelbeschleunigern in Nordrhein-Westfalens CDU und FDP erdacht worden war!!! Neun Kilometer fühlen sich für Windkraftgegner so bedrohlich nah an wie sonst nur der verfeindete Ehegatte beim Schweigefrühstück. Thomas Schwingel von der Stadt Höxter also verlässt eilig den Frühstückstisch. Seine Qualitäten als Geisterbeschwörer sind jetzt gefragt, um einen Pakt mit den Untoten im Schloss Corvey gegen die Windenergie einzugehen.

Zutritt verboten: Die obersten Fenster bleiben der Öffentlichkeit verborgen

Während Schwingel aufbricht, sickern erste Details seiner geistreichen Mission durch. Paragraphenschlau, wie er ist, kennt der Schlingel Schwingel sich mit den Bestimmungen aus. Windräder dürfen den Blick a u f Denkmäler nicht beeinträchtigen, bei Weltkulturerbestätten darf aber auch der Blick a u s den Gebäuden nicht unnötig gestört sein. Windradplaner und Gutachterin bleiben darauf allerdings keine Antwort schuldig: Von Schloss Corvey aus sei maximal eine Rotorblattspitze der neun Kilometer entfernten Windräder zu sehen – und dies lediglich aus den Türmen des Westwerks. Die Pointe: Dieser Bereich ist für die Allgemeinheit überhaupt nicht zugänglich.[3]

Keiner sieht‘s, keiner merkt‘s? Das wollte Schwingel nicht unwidersprochen lassen. „Beim Blick aus den Turmfenstern ergibt sich schon eine Beeinträchtigung“[4], beharrt er während eines Windenergie-Anhörungstermins in Höxters Stadthalle. Für wen denn bloß, fragt man sich, wer überhaupt reckt sein Haupt aus den Westtürmen in Richtung Fürstenau? Hausherr Herzog Viktor V. von Ratibor und Fürst von Corvey vielleicht. Aber sonst bleiben nur die Seelen der nicht ruhen wollenden Äbte von Corvey.

Auch die Schlossgeister sehen kein Windrad – bloß Baumwipfel

Und tatsächlich: Wer nachts zur Geisterstunde die Westtürme hinauf blickt, sich also neben Thomas Schwingel stellt, erkennt hinter den hohen Fenstern Schemen von Gestalten. Der Klang rasselnder Ketten dringt nach unten. Furchtsam bis furchterregend schauen die Geister Richtung Fürstenau. Lässt sich erahnen, wie die Flügel der fünf Windräder in naher Zukunft aufblitzen? Nein, nichts. „Zum Teufel!“ Schwingel ist nervös, reibt beschwörend eine Flasche Himbeergeist. Kaum bricht der Tag heran, wird es für die Augen der Untoten noch undurchsichtiger: Der Blick Richtung Fürstenau wird von Geschöpfen aufgehalten, die ein halbes Jahr nackt sind und die anderen sechs Monate ein üppiges grünes Kleid tragen. Bäume. Bäume versperren grundsätzlich die Sicht auf Fürstenau und die zukünftigen Windmühlen.[5]

Die Geister, die Schwingel rief, wird er unfreiwillig wieder los. Weg sind sie, auch der Himbeergeist entpuppt sich als Flasche. Niemand will sich vom städtischen Mitarbeiter vereinnahmen lassen. Niemand hinter den verwaisten Fenstern der Westtürme von Schloss Corvey fühlt sich auch nur ansatzweise von fünf geplanten Windrädern gestört. Nicht einmal Untote. Schwingel verliert die Lizenz als Geisterbeschwörer und wendet sich – von allen guten Geistern verlassen – vom Übersinnlichen ab.

Und dann soll Rapunzel im Kampf gegen Windräder helfen

In ihrer Verzweiflung suchen Höxters Möchtegern-Windkraftverhinderer Zuflucht bei Märchen. Und wenn sie nicht gestorben sind, stehen sie noch heute an den Corveyer Westtürmen und rufen klagend: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter.“ Sie möchten daran empor klettern, um zu stehen, wo es niemand darf. Sie möchten sich gestört fühlen von etwas, das kaum über die Baumwipfel ragt. Und siehe da: Rapunzel lässt etwas herunter!

Es ist aber kein Haar, es ist … Hirn. Spät, aber nicht zu spät beginnen die da unten zu begreifen.

[1] Auf einmal soll Schwung in den Ausbau der Windkraft, die einen erheblichen Teil zu 65 Prozent grünem Strom an der gesamten Stromversorgung bis zum Jahr 2030 beisteuern soll, berichtet die taz online.

[2] Windkraft Satire berichtete hier.

[3] So heißt es im Artikel „1006 Einwendungen gegen Windkraftpläne“ des Westfalen-Blatts vom 26. September 2019, der nicht online verfügbar ist. Ebenfalls hinter der Bezahlschranke geht’s mit dem Erörterungstermin weiter bei der Neuen Westfälischen. Die Entwicklung der fünf Windräder bei Höxter/Fürstenau ist zum Beispiel beim Westfalen-Blatt beschrieben.

[4] Zitiert nach dem Westfalen-Blatt-Artikel „1006 Einwendungen gegen Windkraftpläne“ (siehe Anmerkung #3).

[5] Seine Sicht der Dinge samt Visualisierung präsentiert der Windradplaner auf seiner Website. Siehe Info vom 26.09.0219: „Nur wenig Stühle besetzt“.

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