Der Herr der Bäume empfindet Windräder als Gewinn für den Wald

Wind und Wald

Der Wald ist vielen heilig. Auch Rolf Heller ist einer jener Menschen, die den Großteil ihrer Zeit in den Dienst der grünen Riesen stellen. Als hauptamtlicher Förster der Gemeinde Blankenheim in Nordrhein-Westfalen hat er einen speziellen Blick auf etwa 6000 Hektar kommunalen und privaten Waldes. Er kennt die Stärken dieses Naturraums in der Nordeifel mit starkem Fichtenanteil und seiner Artenvielfalt, er kennt auch die sensiblen Stellen. Bereiche, die stark unter dem Orkan Wiebke von 1990 gelitten haben. Bereiche, in denen der Verbiss durch Wild besonders belastend ist. Bereiche, die unter dem menschengemachten Klimawandel leiden, neuen Schädlingen ausgesetzt sind.

Rolf Heller nimmt man es ab, wenn er sagt: „Der Wald wird durch Windräder nicht zerstört.“ Es ist nicht einfach so dahin gesagt, sondern Ergebnis eines Abwägungsprozesses. Der Förster hält in Wäldern gewonnene Windenergie für wünschenswert, wenn die ausgesuchten Flächen zuvor notwendige Prüfungen bestanden hätten.

Treibhausgase verringern: Lokales Klimaschutzkonzept sieht wichtigen Beitrag der Windenergie

Ein von den Gemeinden Blankenheim und Nettersheim forciertes gemeinsames Klimaschutzkonzept kommt zu dem Ergebnis, dass nach Ausschöpfen von Energiesparpotenzialen die „verbleibenden Emissionen […] durch den Ausbau der Windenergie […] rechnerisch vermieden werden“ können. „Allein die Windenergie“, so bilanziert das beauftragte Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Natur, „könnte über 50 Prozent der gesamten derzeitigen CO2-Emissionen in Blankenheim und Nettersheim kompensieren“.

Hellers Meinung hat in dieser Frage Gewicht. Sein Standpunkt speist sich aus folgenden Überlegungen: Das Verbrennen fossiler Energieträger beschleunigt den Treibhauseffekt. Das hat immense Folgen für die Luft: 2013 erreicht der Anteil der Kohlendioxid-Moleküle pro Million Luftteilchen (ppm) den Wert von 396 – Rekord seit Beginn der Industrialisierung, bilanziert die Weltorganisation für Meteorologie in Genf. Angesichts des ungebremsten und steigenden Ausstoßes von CO2 werden gesunde Wälder als Kohlendioxid-Speicher auch nach Ansicht des Umweltbundesamtes immer wichtiger.

Während das Versauern der Meere und des Regens sich weitgehend unsichtbar für uns Menschen vollziehen, haben die Wälder auch direkt unter dem Klimawandel zu leiden. Unwetter mit Orkanen ziehen häufiger übers Land und fügen den Wäldern große Schäden zu, für die Hälfte dieser Schäden – wie beim Befall der Bäume durch Borkenkäfer – sind Experten der Uni Wien zufolge der Mensch und sein Klimawandel verantwortlich. Für grassierende Waldbrände durch Temperaturanstieg, Dürren und Hitzeperioden trage der Mensch demnach die alleinige Schuld.

Blankenheimer Waldgebiete bieten glänzende Bedingungen

Überzeugte Naturschützer wie Rolf Heller ziehen daraus einen Schluss. „Wegzukommen von Kohle, Gas und Erdöl ist unglaublich wichtig.“ Der Schutz des Waldes beginne also mit der Abkehr von fossilen Energieträgern einerseits und dem Hinwenden auf nachhaltige Quellen wie Wind, Sonne und in gewissem Maße auch Biogas/Biomasse andererseits. Wo es der Wald und seine Bewohner erlauben, muss der Mensch auf regenerative Energiequellen setzen dürfen.

In Rolf Hellers Zuständigkeitsbereich (Gemeinde Blankenheim) sind dies etwa die in den Fokus gerückten Vorranggebiete in den Waldabschnitten Mürel und Sauer. Beide Bereiche sind nach einer Vorprüfung im Klimaschutzkonzept als sehr geeignet für Windkraftprojekte gewürdigt worden. Auch das später erstellte „schlüssige Gesamtkonzept“ für das gesamte Gemeindegebiet kommt zu keinem anderen Ergebnis. Das Konzept ist Voraussetzung für neue Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan (FNP) und zugleich der Beleg, dass Blankenheim der Windenergie substanziell Raum verschaffen will. Ist dies nicht überall im Freiland möglich, dürfen nach der veränderten Gesetzgebung in Nordrhein-Westfalen auch Waldgebiete in Anspruch genommen werden.

Warum eignen sich die Gebiete? Weil sie fast ausschließlich mit Nadelhölzern bewachsen sind. Weil sie durch Wildverbiss und Sturmschäden (Wiebke) nicht als gänzlich unberührte Natur angesehen werden können. Weil vorhandene Wege die Anbindung an Straßen und Leitungen vereinfachen. Rolf Heller sieht die Vorteile in vielen Bereichen. Die Projekte nutzen dem Wald, sind kommunen- bis länderübergreifend gedacht, für windstarke Höhenlagen geplant und mit guter Anbindung an die Rheinschiene auch ohne aufwändigen Netzausbau zu verwirklichen. Das Klimaschutzkonzept des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie GmbH ordnet die ausgewiesenen Flächen den windstärksten Gebieten Nordrhein-Westfalens zu.

Bürgergruppen mixen Verhinderungscocktail aus beliebigen Zutaten

All diese Vorteile zählen nicht, wenn der Artenschutz Bedenken anmeldet. Im Waldgebiet Mürel waren sie wegen nachgewiesener Schwarzstörche zu bedeutsam. Dieser Bereich fällt aktuell für eine Windenergienutzung aus. Das erforderliche Gutachten für das verbleibende Areal in Dollendorf (Sauer) steht noch aus. Auch hier ist zu bewerten, wie gut die Standorte sich mit geschützten Arten wie dem Rotmilan vertragen. Schließt die Raumnutzungsanalyse Konflikte aus, wäre das Waldgebiet Sauer für etwa ein halbes Dutzend Windräder gewonnen.

„Es liegt nicht am politischen Willen“, sagt Rolf Heller. Die lokalen Parteien der Gemeinde Blankenheim tragen den Klimaschutzgedanken in selten erlebter Einigkeit mit. So hat der zuständige Ausschuss dem Gesamtkonzept mit großer Mehrheit zugestimmt und die Verwaltung beauftragt, das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans einzuleiten.

Ein Zusammenschluss von Bürgern versucht dagegen, verschiedene Ängste zu einem Verhinderungscocktail zu mischen. Wahlweise geht es um Artenschutz, Infraschall, Wertverlust von Immobilien oder Landschaftsästhetik. Auf der anderen Seite der Landesgrenze, im kleinen Dorf Wiesbaum (Rheinland-Pfalz), hat eine eindimensionale Bürgergruppe diesen Verhinderungscocktail als Zaubertrank entdeckt. Und nach der Kommunalwahl Mitte 2014 gleich den Beitrag Wiesbaums (zwei Windräder) zum länderübergreifenden Projekt gekippt (weiterlesen… →).

Förster Heller: „Ohne die Eingaben der Bürger wären wir beim Klimaschutz längst weiter“

Im Sinne des Ausbaus regenerativer Energien und des Blankenheimer Klimaschutzkonzeptes „wären wir längst weiter, wenn nicht die Eingaben der Bürgerinititative gewesen wären“, sagt Heller. Nach seiner persönlichen Einschätzung gehe es dabei nicht immer „besonders sachlich“ zu. Wer sich ein wenig im Internet umschaut und die Wortwahl der Aktivistengruppe prüft, wird schwerlich eine auf Ausgleich bedachte Gesprächsgrundlage erkennen.

Rolf Heller hat konkrete Vorstellungen, was Ausgleich heißt. Er plädiert für einen verhältnismäßigen Blick auf den Artenschutz. Der in Mitteleuropa selten gewordene Rotmilan sei in der Eifel einer der häufigsten Greifvogelarten.  Aus seiner subjektiven Sicht werde er in Blankenheim für Verhinderungsstrategien benutzt. Daher sei letztlich die Frage, wie stichhaltig die Artenschutzbedenken in dem Waldgebiet Sauer südlich von Dollendorf tatsächlich sind. Dem Wald an sich, der wegen der Konzentration von Nadelhölzern ohnehin nicht über die üppige Anzahl an Lebensgemeinschaften wie ein Laubwald verfüge, schade die Windkraftvorrangzone nicht.

Was ihm dagegen schade, sei vielmehr jedes verhinderte Windrad. So stützt die Vorrangzone von Dollendorf im Waldgebiet Sauer als eine der verbliebenen planerisch zu verfolgenden Gebiete den Gedanken der Gemeinde, auch mit einem Ausbau der umweltfreundlichen Windenergie die ehrgeizigen Ziele zum Nutzen von Natur und Mensch zu erreichen. „Wenn Dollendorf nicht gebaut werden kann, werden diese Ziele erheblich eingeschränkt“, sagt Rolf Heller.

Das für den Herbst erwartete Artenschutzgutachten zum Rotmilan wird weisen, ob die Verhinderer der Windenergie dem Klimaschutz in Blankenheim einen Bärendienst erweisen.