Gerbstedt in Sachsen-Anhalt steht für die Halbherzigkeit, mit der Windenergie Platz für den Klimaschutz eingeräumt wird. Nach dem Errichten des ersten Windfeldes Ost (Ihlewitz) war der Windpark Gerbstedt West eigentlich nur eine Formsache. Bis zu 17 Windräder im Mansfelder Land sah die ursprüngliche Regionalplanung vor, die zwei Eignungsgebiete (Ost/West) durch einen etwa zwei Kilometer breiten Korridor voneinander trennte.

DSCF4026 (Kopie)Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt allerdings änderte seine Meinung nach dem ersten Windfeld grundlegend. Innerhalb des Genehmigungsverfahrens Mitte der 2000er-Jahre entdeckte das Amt den Artenschutz für sich und eine größere Gefährdung von Rot-, Schwarzmilan und Fledermäusen als zuvor. Umweltgutachten zerstreuten allerdings die Befürchtungen, sodass eine Klage des Windpark-Entwicklers (Energiegesellschaft Nordost) vor dem Verwaltungsgericht Halle Erfolg hatte – auch ohne eine Reduzierung des Parks auf zehn Anlagen. Mit seiner Zielsetzung hatte die Naturschutzbehörde also zunächst Schiffbruch erlitten.

Landesverwaltungsamt Halle: Einfache Argumentation, doppelte Wirkung

Die erste Instanz aber sollte nicht die letzte bleiben. Das Landesverwaltungsamt rief das Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg an. Damit nicht genug. Um Gerbstedt West sicher zu verhindern und alle Unwägbarkeiten auszuschließen, aktivierte das Amt seine zweite Funktion. Als Regionalbehörde nutzte sie das Instrument der Regionalplanung, um den laufenden Gerichtsprozess auch mit neu zugeschnittenen Windvorranggebieten zu unterminieren. Gerbstedt West tauchte darin natürlich nicht mehr auf.

Dieselbe Behörde drehte also gleichzeitig in unterschiedlichen Rollen an zwei Stellschrauben. Mit ihrer Einschätzung zum Artenschutz, die eine prärogative Wirkung hat, klagte sie einerseits vor dem OVG gegen den Windpark West – letztendlich erfolgreich. Zugleich legte sie diese Einschätzung bei der Änderung des Regionalplans zugrunde und strich das alte Windvorranggebiet im Mansfelder Land.

Schon vor dem Ende der gerichtlichen Auseinandersetzung hatte das Landesverwaltungsamt Fakten geschaffen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig stand Gerbstedt West dann Ende 2013 auf verlorenem Posten.

Behörde nimmt Windpark aus zwei Richtungen in die Zange

Gerichte sind keine Fachbehörden und entscheiden daher weniger auf Grundlage vorgelegter Gutachten und Gegengutachten. Vielmehr orientieren sie sich nicht zuletzt an der Einschätzungsprärogative der Landschaftsbehörden, die Natur- und Artenschutzverträglichkeit geprüft haben müssen. Sind die Positionen der Genehmigungsbehörden nicht grob fehlerhaft, wird ihnen in der Regel gefolgt.

Im Fall Gerbstedt trat dasselbe Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt somit doppelt als Windenergie-Verhinderer in Erscheinung. Als Trägerin öffentlicher Belange im Genehmigungsprozess, um mit der Artenschutz-Argumentation gegen den beantragten Windpark einzutreten. Zusätzlich spielte das Landesverwaltungsamt beim Aufstellen eines neuen Regionalplanes die Rolle der „unabhängig“ abwägenden Behörde. Damit erlangten dieselben artenschutzrechtlichen Einschätzungen vor Gericht doppeltes Gewicht.

Fazit

Wenn dieselbe Behörde zwei Mal dasselbe attestiert, wird es nicht unbedingt richtiger. Aber es wiegt doppelt schwer, im Genehmigungsprozess eines Windparks wie im Prozess der Regionalplanung. Gerbstedts Beitrag zur Energiewende ist durch die doppelte Intervention des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt eine halbe Sache geblieben.