Geschichten aus dem Tierreich: Diesmal mit Wachtelkönig und Hirschkäfer.

Romantisch? Nicht blenden lassen! Windräder sind in Wahrheit Liebestöter und machen den Lockruf des Wachtelkönigs weniger sexy.

Romantisch? Nicht blenden lassen! Windräder sind in Wahrheit Liebestöter und machen den Lockruf des Wachtelkönigs weniger sexy.

Ein Windrad-Projekt in der Umgebung? Sie haben „aufwändiges Genehmigungsverfahren“ noch nicht zu Ende gesprochen, da beschwört schon jemand auf dem Marktplatz Gefahren herauf. Für Geldbeutel, Landschaft, Leib und Leben. Oder für die Fauna.

Dann entpuppt sich oft sogar der als Tierfreund, der zu Hause üblicherweise mit dem Hammer nach dem Hamster unterm Teppich sucht. Falls überhaupt keine gefährdete Tierart aus dem Hut gezaubert werden kann (Kaninchen zählen ja nicht), werden Stoßgebete gen Himmel geschickt. „Herr, lass, sagen wir mal, Hirschkäfer regnen.“

Am Taunuskamm gedeiht die Krabbeltier-Liebe

Auf diesen Käfer gekommen sind zum Beispiel die selbst ernannten „Retter des Taunuskamms“. Dort, auf einem bewaldeten Höhenzug vor den Toren des hessischen Wiesbadens, sollen zehn Windräder gebaut werden. Jede in ihrem Bestand auch nur annähernd gefährdete Tierart kommt den Gegnern da gelegen, auch der kuschelige Hirschkäfer.

Der weckt bei Menschen normalerweise so viel Wohlgefühl wie sonst vielleicht Schwiegermutters Fußnägel. Aber im heroischen Tierkampf gegen die Windenergie rufen die Retter des Hirschkäferkamms gleich öffentliche Mitmachaktionen aus: „Findet Käfer, besser lebendig als tot“. Vor dem geistigen Ohr erklingt Jubel wie beim Ostereiersuchen, sobald die Horden der Taunusdurchkämmer ein Krabbeltier umzingelt haben.

Käferzucht im ehelichen Schlafzimmer

Der Suchaufruf auf der Retter-Website wird durch eine Bitte flankiert. Jeder gefundene Käfer sei haarfein mit Bericht und Bild zu dokumentieren. Garniert mit einer eidesstattlichen Versicherung über den Fundort lasse sich so prima ein Windenergie-Projekt bremsen, frohlockt Carsten Gödel, einer der Käferliebhaber, im örtlichen Wiesbadener Kurier.

So liebreizend kümmert der Mensch sich sonst nur um seine eigenen Babys. Ja, vielleicht werden in Wiesbaden bereits eheliche Schlafzimmer in Hirschkäfer-Zuchtstationen verwandelt. Der Journalist Dietmar Student jedenfalls sah in einer Satire für das manager magazin („Heute ein König, morgen eine Schnepfe“) schon ganz neue Tierarten entstehen. Zur Abwehr von Straßen, Stromtrassen, Pipelines, Flughäfen und anderen Großprojekten eigneten sich seiner Fantasie nach Geschöpfe wie Asphalt-Amsel, Trassen-Trällerer, Gasrohr-Dommel oder Einflugschneisen-Schnepfe ganz hervorragend…

Wachtelkönig: Ruhe für das Phantom der Wiese

Keine besonders gezüchtete Begabung benötigt dagegen der gemeine Wachtelkönig. Vom Nabu wird er gerne als Phantom der Wiesen bezeichnet, weil ihn kaum jemand zu Gesicht bekommt. Es ist ein wunderliches Tier. Gilt als Vogel, ist aber weitgehend flugmüde. Und wenn er mal kurz abhebt, hört er auf das Lied „Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund“.

Das verträgt sich eigentlich bestens mit Windrädern, deren Rotoren nicht jeder Vogel auszuweichen imstande ist. Der Tiefflieger Wachtelkönig aber schon. Welch ein schönes Bild: Wachtelkönig und Windrad, beide fest verwachsen mit der Erde, Seit‘ an Seit‘ vereint draußen in der Natur.

Der Mensch indes pflügt Risse in das harmonische Bild. Es heißt, wenn der Wachtelkönig im Umfeld von Windanlagen nicht zu sehen sei – was ja bei dem Versteckspielkönig sowieso meistens zutrifft -, trage das Windrad die Schuld. Ihm wird nämlich angedichtet, den Wachtelkönig zu vertreiben, also ein Meideverhalten zu bewirken. Stünde das Rad dort nicht, wäre das Phantom zwar immer noch nicht zu sehen. Aber das sei dann ja etwas anderes…

Wir versuchen zu verstehen: Der mehr brütende als fliegende Vogel brauche im übertragenen Sinne also Ruhe vor Windrädern, um unbeobachtet seine Population zu stabilisieren.

Windrad, stillgestanden – wenn Herr König flirtet!

Ruhe versteht das Verwaltungsgericht Arnsberg übrigens wörtlich. Von 2007 stammt ein Spruch, nach dem Herr Wachtelkönig in aller Ruhe um seine Frau Wachtelkönig buhlen müssen dürfe. Allen Ernstes wird gemutmaßt, der Balzruf des scheuen Vogels könne durch Geräusche einer Windenergieanlage übertönt, die Geburtenrate gefährdet werden.

Dieser im Idealfall stundenlange, kilometerweit zu hörende Balzton, als führe man mit dem Fingernagel über einen Kamm, bekommt also auf einmal Konkurrenz! Der Nebenbuhler: ein scheues, paarungsunwilliges Windrad. Nicht auszudenken, Frau Wachtelkönig fände die Geräuschkulisse des Windrads attraktiver als das königliche Krächzen und erläge schließlich dem Charme des feinen Luftzugs. Wohin würde die Fauna an dieser Kreuzung wohl abbiegen…

Wohin auch immer, vermutlich lauert hinter der nächsten Biegung ein Windkraftblockierer. Ausgestattet mit dem Hammer für die Hamstersuche, einem vorübergehend großen Herzen für Käfer und temporär tierischer Freude an unsichtbaren Vögeln. Für die Bremser findet sich eben immer ein Weg, Hirschkäfer und Wachtelkönig über einen (Taunus-)Kamm zu scheren.

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