Auf einer Burg im tiefen, tiefen Wald tobt eine Handvoll Grafen und verlangt Genugtuung für „die finanziell Schwächsten“. Feiert der deutsche Adel ein Comeback als Anwalt der Armen, als Wegbereiter des Sozialismus‘? Erwächst der nächste Revolutionär aus dem erlauchten Kreise der Burgherren und Wald-Millionäre? Stürzt da bald ein Enoch Che von Guevara-Guttenberg den Despoten Hartz IV und dessen Gesetze?

Und ist der Nadelwald noch so willig, ein Windrad dauerhaft als Gast zu beherbergen – von irgendwo rast garantiert ein tollwütiger Waldbaron heran, der aus Angst um sein Erbe dem Wahnsinn verfallen ist … (Foto/Montage: Windkraft Satire; Karikatur/Archiv: HSB)

 

Holla, die Waldfee, nein!

Auf ihrem Feldzug für „die soziale Verantwortlichkeit des Eigentums“ haben die Fürsten mit den feudalen Forsten den Feind in den eigenen Reihen ausgemacht. Sie schwingen die Streitaxt gegen all jene Waldeigentümer, die ein wenig ihrer Fläche für die Energiewende öffnen wollen. Windräder im Wald, tollwüten die Blaublütigen, „schaden dem Gemeinwesen elementar“. Die Waldbarone haben unbekümmert die erlesensten Eichen ihrer Ländereien geopfert, um einen 17-seitigen Brandbrief „von Waldeigentümern an Waldeigentümer“[1] auf edelstes Papier zu bringen.

Sind die Fürsten von Fichten und Weihnachtstannen tatsächlich von edlen Motiven geleitet? Verlassen Herolde wie Graf zu Solms-Laubach, eben jener Enoch Freiherr von und zu Guttenberg[2], Fürst von Hohenlohe-Bartenstein, Graf Spiegel-Diesenberg oder Fürst von Wrede ihre Schlösser und Wälder, um Wohlstand für die Notleidenden zu erkämpfen?

Leider bieten die blaublütigen Gerechtigkeitsfanatiker nur ein blutleeres Schmierentheater.

Wirrer Waldadel: Faselt von „finanziell Schwächsten“, kämpft aber allein für sein reiches Erbe

Der Aufstand gegen Windräder im Wald dient allein dem Schutz der Wohlhabenden vor steigender Erbschaftssteuer. Der „Waldbesitzerverband“ habe, so erläutert der Brief, durch „nachhaltige Überzeugungsarbeit“ die Politik bisher davon abhalten können, den Waldreichtum der Großgrundbesitzer mit höheren Abgaben zu belegen. „Dies muss nicht so bleiben“, jammern die adeligen Waldbesitzer in ihrem Brief und fragen: „Warum sollen Grundbesitzer geschont werden, die sich ohne überzeugende Rechtfertigung auf Kosten der Stromverbraucher bereichern?“ Der ach so arme Waldadel fürchtet also um nichts anderes als den Profit aus seinen Brennholz- und Weihnachtsbaumgeschäften.

Als Schurke muss die Windenergie herhalten. Wie einleuchtend: Während Braunkohlebagger ihren Hunger mit ganzen Wäldern wie dem Hambacher Forst stillen[3], sollen wenige Windräder in Nutzwäldern[4] gleich der Untergang des Adelslandes sein.

Die Robin Hoods entpuppen sich als raffgierige Rumpelstilzchen

Nein, nicht der soziale Frieden treibt die blauwütigen Waldbarone an, sondern die Angst vor höheren Steuern auf ihr Erbe und Einkommen. Im Unterholz ihres Gedankenfriedhofs lauern sie bereits mit dem Kriegsbeil: „Wie schwierig wird ein Leben, gerade im dörflichen Umfeld, wenn Stolz und Respekt der Wut und dem Hass weichen.“ Das soll andere Waldeigentümer einschüchtern und sie vom verantwortungsvollen Öffnen ihrer Forstflächen für Windräder abhalten. Das ist verbale Aufrüstung, die eins nahelegt: Der Waldadel hat einen in der Baumkrone.

Da sind ein paar Von-und-Zus auf eigene Rechnung unterwegs. Hinter der Maske der modernen Robin Hoods verbergen sich in Wahrheit raffgierige Rumpelstilzchen. Die Möchtegern-Rächer der Enterbten sind nichts anderes als die Rächer ihrer selbst. Geistig verarmter Adel.

[1] Windkraft Satire liegt der „Brief von Waldbesitzern an Waldbesitzer, geeignet zur Weitergabe“ vom 6. November 2017 vor. Überschrieben ist er so: „Goldgrube Windkraftanlage? Eine Schrift zur Aufklärung von Waldbesitzern für Waldbesitzer über wichtige Zusammenhänge der Ökostromförderung, die jeder von uns kennen sollte.“ Alle in Anführungsstriche gesetzten Zitate dieser Satire sind dem Brief entnommen.
[2] Der frühere Dirigent Enoch Freiherr von und zu Guttenberg hat den Taktstock gegen die Machete eingetauscht und schlägt damit auf die Energiewende und besonders ihren Pfeiler Windkraft ein, aber auch auf die Photovoltaik. Als Waldeigentümer hat er den vorliegenden Brief mit unterzeichnet. Aufschlussreich ist sein Wandel vom Gründungsmitglied des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zu dessen schärfstem Kritiker, wie die FAZ online nachzeichnet. Guttenbergs Unterstellungen weist der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger im Sommer 2016 scharf zurück. 2010 soll Guttenbergs Vermögen etwa 400 Millionen Euro betragen haben. Das deutsche Erbrecht musste schon als Begründung herhalten, dass die Guttenbergs Schloss und Anwesen samt Forstbetrieben im Landkreis Kulmbach/Oberfranken an eine privatnützige Stiftung in Österreich übertrugen, wie bei Spiegel online nachzulesen ist.
[3] Dem Raubbau am Hambacher Forst widmet sich diese Seite.
[4] Windenergie im Wald ist aus Gründen des Natur- und Artenschutzes nur in eingeschränktem Maße denkbar. Um Konflikte zu vermeiden, sollen laut Bundesamt für Naturschutz vorrangig intensiv forstwirtschaftlich genutzte Waldflächen (Fichten- und Kiefernforste) auf ihre Eignung überprüft werden, dokumentiert etwa die Fachagentur Windenergie.

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