141009 Nabu Papier

Der Nabu auf nicht-erneuerbaren Abwegen – oder: Wie spreche ich mit einem bockigen Kind, das seinen Lieblingsfisch mit einem Käfig zu schützen versucht und dabei ignoriert, dass das Wasser ringsum mehr und mehr zu einer giftigen Brühe verkommt?

Abschied von gemeinsamen Zielen des Arten- und Klimaschutzes nimmt ausgerechnet der einflussreiche Landesverband NRW im Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zur Mitte des Jahres 2014. Die stellvertretenden Nabu-Vorsitzenden Heinz Kowalski und Stefan Wenzel formulieren ein „Eckpunktepapier“ zu Artenschutz und Erneuerbaren Energien, das in seiner Konsequenz monatelange Abstimmungsgespräche torpediert.

Seit Februar wird getrickst

Das Nabu-Papier wird nicht ganz zufällig Ende Juli der Öffentlichkeit präsentiert. Zu einem Zeitpunkt, da Umwelt- und Naturschutzverbände, Vertreter der Erneuerbaren Energien und das Landesumweltministerium eigentlich im geschützten Raum an einer gemeinsamen Erklärung zu den Zielen der Energiewende arbeiten. Und zwar im Forum Artenschutz und Erneuerbare Energien, das vom Ministerium geleitet wird.

Allerdings wartet das Ministerium seit Februar vergeblich auf den substanziellen Beitrag des Nabu zum wichtigen Thema. Schon im April legen die Erneuerbaren-Verbände ihren Standpunkt zur Diskussion vor. Der Nabu hält Terminabsprachen nicht ein und verzögert den Prozess. Um den Gesprächspartnern dann stattdessen das „Eckpunktepapier“ vorzusetzen.

Es wird Herbst, und im Dunst der vom Nabu gezündeten Nebelkerzen droht das gemeinsame Ziel des Forums aus dem Blick zu geraten. Gemeinsames Ziel? Der Nabu wählt vielmehr die Isolation im Meinungsbildungsprozess, weil er offenbar keine zweite oder dritte Meinung mehr benötigt. Ihm genügt es, vage Forderungen nach geringerem Energieverbrauch und effizienterem Energieeinsatz zu stellen.

Und sonntags nehmen wir alle das Fahrrad zum Brötchen Holen

Nun ist es aber auch zu verlockend, auf die mächtigen Einsparpotenziale hinzuweisen, die in der energetischen Sanierung oder Modernisierung von Gebäuden, in Wänden und an Leitungen schlummern. Allein: Sie schlummern hartnäckig.

Seit 1990 sind erst 9 Prozent an Endenergie durch solche Maßnahmen gespart worden. In diesem Bereich auf große Sprünge zu setzen und zum Beispiel von den Privatiers unter Haus- und Wohnungseigentümern größere Investitionsbereitschaft bei Dämmmaßnahmen zu erwarten, ist ambitioniert. Deutlicher formuliert: Es verspricht einen Erfolg wie beim Aufruf an alle, sonntags fürs Brötchen Holen doch bitte nur noch das Fahrrad zu benutzen.

Die Elektro-Mobilität hat enormen Nachholbedarf an regenerativem Strom

Womit wir beim Thema Mobilität wären, hier wird der Nabu grotesk. Er weiß natürlich, dass sechs Siebtel des Verkehrs leider immer noch über den Verbrennungsweg laufen. Hier schreit es nach zügigen Entwicklungen, die regenerativ erzeugten Strom für den Straßenverkehr effizient verfügbar machen. Der Nabu schreit zunächst einmal schön mit, fordert den Ausbau der E-Mobilität.

Bloß kommt der Nabu nicht umhin, den Strom für den Tank auch erzeugen zu lassen. Auf Strom aus Kohle abzufahren hieße, einen Klimakiller (Öl) durch einen anderen (Kohle) zu ersetzen. Das kann der Nabu natürlich nicht wollen.

Also regenerativer Strom, bitte. Von dem aber benötigt NRW perspektivisch ohnehin viel mehr als heute, laut Regierungsbeschluss 30 Prozent Anteil am Stromverbrauch bis zum Jahr 2025. Das wären aktuell etwa 44 Terawattstunden von insgesamt jährlich verbrauchten 146 TWh. Regenerativ erzeugt werden im Moment runde 15 TWh.

Die Mobilität ist nicht einbezogen, würde entsprechend noch höhere Ausbauziele erfordern. Schließlich trägt Strom im Mobilitätssektor heute nur einen Bruchteil von 2,3 Prozent des Energiebedarfs von 713 Milliarden kWh bei – und diese E-Mobilität wird immer noch zu rund 95 Prozent aus fossil-atomaren Brennstoffen erreicht.

Böser Ökostrom, guter Ökostrom?

Und hier hat der Nabu sich offenbar entschieden, ein Urteil über vermeintlich guten und bösen Öko-Strom zu fällen. Die Windenergie soll laut „Eckpunktepapier“ ab sofort auf ein Maß beschnitten werden, dass ihren eigentlich für die Energiewende nötigen Ausbau völlig unmöglich macht. Lieber will der Nabu Photovoltaik fördern, also der Sonne die Energie abzapfen.

Es wundert nicht, dass der Nabu sich allmählich aus Abstimmungsprozessen zurückzieht. Dort müsste er sich nämlich fragen lassen, was seine Ideen mit den realen Erfordernissen zu tun hat. Fragen lassen, wie die Photovoltaik bei aktuell schmalen Zuwachsraten und gesetzlicher Ausbaudeckelung durch die nötige Verzehnfachung ihrer Leistung bis 2025 zum Hauptträger der Nabu-Energiewende werden soll. Fragen lassen, woher der zusätzliche Ökostrom für die E-Mobilität kommen soll.

Fragen lassen, wie die Windenergie ihren Beitrag zur Energiewende erfüllen soll, wenn sie – so träumt der Nabu – in großem Stil beschränkt werden solle. Da schwadroniert der Nabu im Zusammenhang mit der Windenergie von „geeigneten Flächen“, von der Konzentration auf Repowering, von zu vergrößernden Abstandsflächen zu bestimmten Vogelarten, von Obergrenzen für Kommunen und Kreise.

Der Nabu ignoriert bestehende Regelungen zum Artenschutz

Und der Nabu erweckt dabei den Eindruck, als gäbe es geltende Richtlinien nicht, die nach intensivem Abstimmungsprozess viele Fragen längst regeln. Etwa durch strenge Auflagen an den Natur- und Artenschutz und nicht zuletzt Ende 2013 durch den behördlichen Leitfaden „Arten- und Habitatschutz bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen“.

Der Nabu tut mit seinen pauschalen Positionen so, als würden Gemeinden und Landkreise in der Regel bereits das Maximum der möglichen Windenergiepotenziale ausschöpfen. Das ist purer Populismus und hält einer statistischen Untersuchung nicht stand. Viele Städte tun sich im Gegenteil aus verschiedenen Gründen schwer mit der Ausweisung geeigneter Flächen. Hier dreht es sich eher um die Frage, welches Minimum an Windrädern realisiert werden kann. Der Gesetzgeber, das weiß auch der Nabu, spricht allerdings von bedeutend mehr, von einem „substanziellen Raum“, den Kommunen der Windenergie einräumen sollen.

Auch muss der Nabu aufpassen, dass eine seiner Forderungen nicht auf ihn zurückfällt. Wenn es denn zu einem Controlling-System kommen sollte, das die Einhaltung von Zielen und Vorschriften zur Aufgabe hat, müsste der Verband zum Beispiel im Falle von Preußisch Oldendorf vor Scham rot werden. Denn dort werden mitten im positiv verlaufenden Genehmigungsprozess für Windräder auf einmal zusätzliche Nisthilfen für Weißstörche aufgestellt (→ hier nachzulesen).

Willkommen im Klub der Leugner von Erderwärmung und Klimawandel

Nein, der Nabu hat im Herbst 2014 wahrlich kein Interesse mehr an einer gemeinsamen Grundsatzerklärung zu Klima- und Naturschutz. Er boykottiert Prozesse. Der Nabu möchte das Rad der Zeit zurückdrehen, entgegen allen Beteuerungen vermutlich am liebsten jedes einzelne Windrad. Da die Argumente dünner und das Kopfschütteln über den Nabu heftiger werden, verfallen sich als Naturschützer verstehende Menschen wie Heinz Kowalski schließlich sogar in den Jargon der Klimawandel-Skeptiker. Ist allerdings auch konsequent. Denn zur Verteidigung des „Eckpunktepapiers“ eignet sich eigentlich nur noch die Fundamentalhaltung: Wo keine von Menschen mitverantwortete Erderwärmung, da ist auch kein Umsteuern in der Energieversorgung nötig.

Und so pflegt der Nabu seinen Lieblingsfisch im schützenden Käfig, während das Wasser, in dem er schwimmt, mehr und mehr eine ungesunde Farbe annimmt…