IMG_0818 (Kopie)Das Rheinisch-Westfälische-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat ein eigenes Verhältnis zur Wahrheit. In Fragen der Energiewende sind es häufig die Wahrheiten des Professors Dr. Manuel Frondel. Er leitet den Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ am RWI und ist Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum. Sehr eigenwillig interpretierte das RWI zuletzt im März 2014 unter Frondels Federführung die Ergebnisse einer repräsentativen forsa-Umfrage zum „Klimawandel in Deutschland: Zahlungsbereitschaft, Einstellungen, Wissensstand und Kostenbelastung privater Haushalte“.

Schon die Überschrift der Zusammenfassung in den „RWI-News“ lässt Böses erahnen. Da wird die Finanzierung der Energiewende schlechtgeredet: „Die EEG-Umlage steigt, die Akzeptanz schwindet“. Das liest sich wie: Den Deutschen ist die Energiewende zu teuer.

Es ist die durchschaubare Fokussierung auf den Preisaspekt, ein beliebtes Thema, das von den Bewahrern der atomar-fossilen Energieversorgung hochgejazzt wird. Frondel vom RWI ist in der Phalanx der Energieriesen-Lobbyisten ein wertvoller Player, der mit der Denunzierung der Erneuerbaren-Förderung letztlich die dezentrale und von Bürgern getragene Energiewende zugunsten der alten Großkonzerne verhindern will.

Schwindende Akzeptanz? SchwindeLnde Interpretation!

Tatsächlich erlauben die Umfrageergebnisse die Bewertung einer schwindenden Akzeptanz überhaupt nicht. Im Gegenteil. Energiegewinnung besonders aus Wind und Sonne wird hochgradig geschätzt, ihren Ausbau wollen etwa 87 Prozent der Befragten.

Auch die Subventionierung, also die Stärkung der Erneuerbaren gegenüber den zementierten Wettbewerbsvorteilen der konventionellen Energieträger, wird von einer Mehrheit befürwortet. Von einer wachsenden Mehrheit sogar: Die allgemeine Zustimmung zur finanziellen Förderung Erneuerbarer stieg von Oktober 2012 bis Mitte 2013 an – von 50,6 auf 54 Prozent. Schwindende Akzeptanz?

Was redet das RWI also herbei?

Zunächst bemühen die Essener Forscher einen Trick. Nüchtern betrachtet sehen die Antworten auf die Frage zur „Zahlungsbereitschaft für Strom aus erneuerbaren Energien“ so aus:

  • 49,9 Prozent sind bereit, „mehr“ für Erneuerbare Energien zu bezahlen,
  • 42,1 Prozent wollen „gleich“ viel dafür bezahlen wie für konventionell erzeugten Strom,
  • 7,9 Prozent möchten für Elektrizität aus Erneuerbaren „weniger“ bezahlen.

Das RWI schlussfolgert messerscharf: „Nur knapp 50 Prozent“ der Deutschen tragen die Investitionskosten für den Umbau der Energiewende mit. 49,9 Prozent – das ist zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger als jeder Zweite, und damit in sensiblen Belangen des eigenen Portmonees ein bemerkenswerter Rückhalt. Hinter dem Standpunkt, „gleich viel“ für Ökostrom bezahlen zu wollen, könnte bei wohlwollender Betrachtung auch die Hoffnung der 42,1 Prozent stecken, dass die Erneuerbaren grundsätzlich günstiger liefern können. Günstiger als in der aktuellen Phase des Umbaus eines Energiesystems, das im Stromsektor zu drei Vierteln von umwelt- und klimaschädlichen Energieträgern beherrscht wird.

Befragte lehnen in Wahrheit mehrheitlich Kohlemeiler und AKW ab

Das RWI benötigt aber zwingend für den behaupteten „Akzeptanzverlust“ des EEG, gemeint ist aber der der Energiewende, einen Gegenpol. Wer also nicht explizit „mehr“ ausgeben will, muss irgendwie dagegen sein. Zumal das RWI eine Diskrepanz zwischen der grundsätzlichen Befürwortung der Erneuerbaren (87 %) und der Zustimmung zu ihrer aktuellen Finanzierung (49,9 %) erkennen will. Und so wird die Haltung der 42,1 %, „gleich viel“ wie für Kohle- und Atomstrom ausgeben zu wollen, subtil zu einer gegen die Erneuerbaren-Förderung gerichteten Bewegung hochstilisiert. Das ist erstaunlich, sagt dieselbe Umfrage doch, dass eine wachsende Mehrheit der Befragten den Neubau von Kohlekraftwerken ablehne. Es sind nun fast zwei Drittel gegen neue Kohlemeiler, 2012 waren es 56,4 Prozent. Der Ausstieg aus der Atomenergie wird mit 68,7 Prozent goutiert.

Und letztlich ist die allgemeine Überzeugung unwidersprochen, dass die Stromproduktion aus Erneuerbaren nach der Ablösung der alten Strukturen nicht teurer sein wird als heute. Was gleichbedeutend mit einer Entlastung der Verbraucher ist, da die Kosten für die importierten Rohstoffe Kohle, Öl und Gas erwartbar steigen werden. Aktuell fallen jährlich 83 Milliarden Euro für fossile Energieträger an, sagt Prof. Dr. Clemens Hoffmann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel.

Bei angenommener Preisstabilität würde dies auf 50 40 Jahre gesehen 3.320 Milliarden Euro bedeuten. Erneuerbare Anlagen zu bauen und zu erneuern, die kostenlosen Wind und Sonne verarbeiten, würde dagegen im selben Zeitraum 1.500 Milliarden Euro erfordern. Hoffmanns Fazit: Die Energiekosten sinken perspektivisch, die Abhängigkeit vom Weltmarktpreis für Gas und Öl verschwinde.

Manuel Frondel dagegen blickt lieber in die Vergangenheit und gräbt eine Zahl aus, die Angst machen soll. Von 2000 bis 2013, also über einen Zeitraum von 14 Jahren, seien nach RWI-Berechnungen allein durch Photovoltaikanlagen Kosten von 111 Milliarden Euro beim Stromkunden hängen geblieben. Klingt enorm, auch wenn besagte Brennstoffpreise von jährlich 83 Milliarden gegenüber umgerechnet rund 8 Milliarden Ausgaben für Sonnenkollektoren pro Jahr erheblich schwerer ins Gewicht fallen.

Frondels Vergleiche hinken, und er ignoriert auch aktuelle Preissenkungen durch technischen Fortschritt. Ein Durchschnittshaushalt unterstützte neu errichtete Windenergieanlagen und Sonnenkollektoren im Jahr 2012 mit 75 Cent im Monat oder 9 Euro im Jahr. Dies hat die Physikingenieurin, Energiewirtin und Photovoltaik-Unternehmerin Tina Ternus aus den Vergütungszahlungen des EEG errechnet. Das ist alles, bloß kein Argument gegen den Zubau von Erneuerbaren Energien.

Die wahre DNA des EEG

An dieser Stelle müsste eine seriöse Umfrage eigentlich die DNA der EEG-Umlage thematisieren. Zusammenhänge beleuchten und Einschätzungen abfragen, ob etwa die Umlage überhaupt in voller Höhe in den Ausbau der Erneuerbaren fließt; ob Teile des Cent-Aufschlags pro kWh nicht andere Bereiche subventionieren (Stromsteuer, Ausnahmeregelung für Unternehmen…). Von 185 Euro jährlicher Belastung eines Durchschnittshaushaltes durch die EEG-Umlage im Jahr 2013, erklärt das Öko-Institut Freiburg, flossen lediglich 76 Euro in die Vergütungszahlungen für Erneuerbare Energien. Das sind gerade mal 41 Prozent. Anders gesagt: Der überwiegende Teil des Strompreisaufschlags kommt gar nicht den Öko-Anlagen zugute.

Nun könnten Umfragen auch dazu dienen, komplexe Strukturen transparenter zu machen, Meinung auf eine breitere Wissensbasis zu stellen und so ein fundiertes Urteil zu ermöglichen. Die so gewonnenen Umfrage-Ergebnisse über eine „bereinigte“ EEG-Umlage ließen belastbarere Wertungen zu. Zumal 70 Prozent der Befragten gar keine Kenntnis über die tatsächliche Höhe der EEG-Umlage hatten, wie das RWI herausgefunden hat.

Solche Fragen zur Beschaffenheit der EEG-Umlage fehlen aber in der Umfrage aus dem Sommer 2013.  Dadurch öffnet sich all jenen ein fruchtbares Feld, die über den Strompreis und die EEG-Umlage die Energiewende zu diskreditieren versuchen.

Wie verdrehe ich am besten Umfrageergebnisse?

Selbst wenn man dem Gedankenpfad des RWI einen Moment folgt, ist dessen interessengeleitete Interpretation hanebüchen. Zur Höhe der EEG-Umlage befragt, wurde im Sommer 2013 von den Befragten ein Mittelwert von 6 Cent je Kilowattstunde (kWh) akzeptiert. Zu diesem Zeitpunkt allerdings lag die Umlage niedriger, bei rund 5,277 Cent/kWh.

Folglich liegt der Schluss nahe, dass im Zweifel sogar eine höhere als die damals geltende Umlage mitgetragen worden wäre. Man stelle sich diese Schlagzeile in den „RWI-News“ vor: Bürger befürworten im Jahr der Bundestagswahl 2013 eine höhere EEG-Umlage!

Was aber tut das RWI? Es deutet diesen Sachverhalt einfach um.

Wer im Sommer 2013 sogar 6 Cent statt der tatsächlich aufgeschlagenen 5,277 Cent gutheißt, werde ein Dreivierteljahr später gewiss auf die Barrikaden gehen. Schließlich betrage die Umlage für die Stromverbraucher ja im Kalenderjahr 2014 inzwischen 6,24 Cent je kWh. Zielsicher folgert das RWI: „Die Steigerung der EEG-Umlage auf 6,24 Cent pro kWh wird also offenbar von der Mehrheit der Bevölkerung nicht unterstützt.“

Diese Folgerung ist schlichtweg unseriös, aus dem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang gerissen. Die Erkundigung nach einer etwaigen Schmerzgrenze, was die Höhe der EEG-Umlage angeht, existiert in dem Fragenkatalog überhaupt nicht. Entsprechend halten die Verfasser des vorgelagerten RWI-Werkstattberichts zur Umfrage sich mit einer Wertung vornehm zurück: „Der Median der akzeptierten Mehrkosten liegt bei 6 Cent/kWh und ist damit niedriger als die heutige EEG-Umlage“, heißt es dort nüchtern. Das RWI unter Frondel aber braucht händeringend den Konflikt.

Was wäre, wenn die vom RWI für ihre Anti-Energiewende-Kampagne benutzten Befragten erführen, dass von der 6,24-Cent-Umlage nur rund 3 Cent tatsächlich bei den Erneuerbaren landen? Wir erinnern uns: 59 Prozent der Umlage werden für andere Zwecke ausgegeben, zum Beispiel zur Befreiung vieler Industrieunternehmen von der EEG-Umlage.

Frondel: Atomenergie entfaltet Zauberkräfte auf den Strompreis – …leider nur für die Konzerne

Dass Frondel es mit Zahlen nicht so genau nimmt, hat er übrigens bereits 2008 bewiesen. Zu einem Zeitpunkt, als sein RWI in den Chor jener einstieg, die das hohe Lied von den Zauberkräften der Atomenergie anstimmte. Die einfache Wunderformel: Raus aus der Laufzeitverkürzung für Atomkraftwerke = hohe Einsparungen bei den Stromkosten.

Es ist nichts anderes als Frondels vorhersehbare Lobbyarbeit. Es ist das Jahr, als die Atomlobby antritt, die rot-grüne Bundesregierung, den Ausstieg aus der Atomenergie und den Boom der Erneuerbaren zu kippen.

Inzwischen legendär ist Professor Frondels Laudatio auf die preissenkende Wirkung der Atomenergie. In der „Bild“-Zeitung ließ er sich seinerzeit damit zitieren, dass „uns“ Energiekosten von 50 Milliarden Euro erspart blieben, wenn nur die Laufzeiten der Atomkraftwerke wieder verlängert würden. Ein enormer finanzieller Nutzen also für „uns“, die Energieverbraucher.

Leider war es nur eine dieser Frondel’schen Wahrheiten. Den stattlichen Betrag errechnete er so: Die 2007 erzeugten 140 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Atomstrom seien je zwei Cent günstiger als Kohlestrom. Auf eine Distanz von 20 Jahren gesehen, ergebe das gut 50 Milliarden Euro. Bloß handelt es sich dabei um Erzeugungskosten für den Strom. Und nicht um den Endpreis, der vom Verbraucher zu zahlen ist.

Da die konventionelle Energiewirtschaft eher nicht darauf bedacht ist, Einsparungen an die Endkunden weiter zu reichen, verbleibt die Ersparnis bei den großen Konzernen. Anders gesagt: Wenn die Erzeugerkosten fallen und die Verkaufspreise in etwa stabil bleiben, steigen die Gewinne der Großkonzerne.

Scheer: RWI „kein neutrales Institut“

Frondel rückt bedenklich nahe an die Energieriesen, wenn er davon spricht, dass durch längere Atommeilerlaufzeiten „uns“ 50 Milliarden Euro erspart geblieben wären. Für Menschen wie den Erfinder des EEG, Hermann Scheer (1944-2010), sind Frondels Wahrheiten keine Überraschung. Der Träger des Alternativen Nobelpreises hielt Frondel für einen Handlanger der etablierten Stromkonzerne und das RWI für „kein neutrales Institut„.

Wie auch? Das RWI wird zu je einem Drittel von Bund, Land NRW und „anderen Förderern“ getragen. Zu diesen zählt auch die Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI. Deren Präsidenten hießen Dietmar Kuhnt (bis 2003) und Rolf Pohlig (bis 2012). Kuhnt war Vorstandsvorsitzender, Pohlig Finanzvorstand der RWE AG. Also desjenigen Unternehmens, das angesichts der Energiewende um seine enormen Renditen von 30 Prozent aus den Geschäften mit Atom- und Kohlekraft fürchten muss.

Da sind Professor Frondels Wahrheiten über Energiewende, EEG-Umlage und „Ersparnisse“ durch Atomenergie willkommene Beiträge zur „Aufklärung“ der Bevölkerung.

Auf WDR-Nachfrage wird es albern

Wer zusehen möchte, wie vermeintlich unabhängige Wirtschaftsforscher ins Schwimmen geraten, sollte sich einen TV-Beitrag der Monitor-Redaktion nicht entgehen lassen (auch hier bei Solar77 hinterlegt). Die WDR-Journalisten statten Professor Frondel im Jahr 2010 einen Besuch ab, um die Hintergründe einer Studie zu klären. Die brandmarkt angebliche 64 Milliarden Euro Investitionen über 30 Jahre in Solarenergie als Verschwendung, als ineffizient wegen geringer Stromproduktion und als unnütz für den Klimaschutz.

Der WDR prüft die Aussagen, eine Kurzfassung liest sich in etwa so: Allein die Zahlen der RWI-Studien sind falsch, bewegen sich am oberen Rand, ignorieren Spareffekte – und verschweigen, dass durch Ökoenergie verursachte Preissenkungen an der Strombörse von den Energieversorgern nicht an die Verbraucher weiter gegeben werden.

Das zu den Fakten.

Albern wird es, als Frondel zu den Auftraggebern der Studie befragt wird.

Es kommt zu diesem Wortwechsel, indirekt wiedergegeben:

Frondel: Es gebe keinen Auftraggeber für die Studie.
Der WDR kontert: Das englische Original nenne allerdings das Institute for Energy Research (IER), Washington, D.C., die deutsche Übersetzung verschweige das.
Frondel: Als Drittmittelgeber sei die Studie durch dieses „unabhängige“ Institut finanziert worden.
WDR: Das IER sei eine von Öl- und Kohle-Konzernen finanzierte Lobbyorganisation, die einen Feldzug gegen regenerative Energien und gegen entsprechende Ausbau-Pläne von US-Präsident Obama führe; zur Unterstützung der Kampagnen würden nun angeblich unabhängige Wissenschaftler in Spanien, Dänemark und jetzt Deutschland rekrutiert.
Frondel: Das sei dem RWI nicht in diesem Maße bekannt gewesen; es spiele aber auch keine große Rolle, da die Ergebnisse wissenschaftlich unangetastet und in entsprechenden Fachmagazinen veröffentlicht worden seien.

Nun ja, am Ende blättern WDR-Team und Frondel gemeinsam vor der Kamera in Akten und Unterlagen, da das IER nach der Erinnerung des RWI-Professors eigentlich doch in der Studie vermerkt worden sein müsste. Nein, ist es nicht. Das muss nachgeholt werden, dank der Nachhilfe des WDR, für ein Millionenpublikum festgehalten und dokumentiert.

Sobald Professor Frondel eine seiner Wahrheiten präsentiert, sind also Nachfragen und eigene Recherchen durchaus angebracht…

2 Kommentare
  1. Hallo, danke für den schönen Artikel. Ein kleiner Rechenfehler ist mir in dem folgenden Satz aufgefallen: „Bei angenommener Preisstabilität würde dies auf 50 Jahre gesehen 3.320 Milliarden Euro bedeuten.“ Bei 83 Milliarden Euro pro Jahr müssten es eigentlich 40 Jahre sein.

    Freundliche Grüße
    Ulrich Wolff

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.