Bezirksregierung stoppt Blockade-Resolution in Siegen-Wittgenstein

Wind und WaldWarum Männern ein Spagat besonders weh tun kann, hat Paul Breuer im Jahr 2013 vorgemacht. Der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein an der Grenze von Nordrhein-Westfalen zu Hessen wollte dem Kreistag eine Resolution schmackhaft machen. Sie trägt den Namen „Resolution Windenergieanlagen und Landschaftsbild“, sollte der Windenergie mehr Raum in der Mittelgebirgsregion geben und zugleich den Forderungen von Tourismusverbänden, Umwelt- und Naturschützern Rechnungen tragen. Heute wird diese Resolution verschämt dort belassen, wohin sie gehört: in der Versenkung.

Breuer hatte im April 2013 über sein Wirtschaftsdezernat einen Passus einarbeiten lassen, der fast übersehen worden und dem Kreis-Parlament unweigerlich um die Ohren geflogen wäre. Nach eher allgemeinen Aussagen zur schonenden Auswahl von Windenergie-Standorten im Wald und an bereits entwickelten Bereichen im Kreis wurde die Resolution mit einem Mal ganz konkret. „Im Bereich des Rothaarhauptkammes, in unzerschnittenen, verkehrsarmen Räumen und in Wildnisgebieten“ solle nach dem Willen der Kreis-Politiker „von einer Ausweisung von Vorrangzonen für Windenergieanlagen [abgesehen]“ werden.

„Weitere Windränder wären faktisch ausgeschlossen“

Als Handlungsempfehlung für alle am Planungs- und Genehmigungsprozess beteiligten Behörden (Räte, Stadt- und Kreisverwaltungen) hätte dieser Satz eine einzige Konsequenz gehabt: Weitere Windenergieanlagen „wären faktisch im Kreis ausgeschlossen gewesen“, so Dr. Peter Neuhaus von den Grünen im Kreis. Was Windenergie-Entwickler im Kreis Siegen-Wittgenstein nur bestätigen können: Sie werden schon in den Tallagen der Mittelgebirgsregion kaum fündig. Dort leben die Menschen, dort wehen nur laue Lüftchen. Der Landeserlass Wind im Wald öffnet nicht umsonst bestimmte bewaldete Bereiche inzwischen der Nutzung durch Windenergie.

Den Rothaarhauptkamm und andere Räume auszuschließen, hätte die einzigen erschließbaren Flächen von Wirtschaftswald oder den von Orkan Kyrill geschädigten Hölzern in Siegen-Wittgenstein direkt aussortiert. Die Resolution stand also im direkten Widerspruch zu übergeordneten Regelungen des Landes und zu geltenden Genehmigungsrichtlinien. Bevor die Resolution Ende Juni 2013 in den Umweltausschuss und den Kreistag eingebracht wurde, wurden Landesumweltministerium und Bezirksregierung Arnsberg aufmerksam.

Der Resolutionsentwurf wurde zum Bumerang, Ministerium und Landesbehörde wiesen die Siegener Kreisverwaltung auf die drohende Rechtsverletzung hin. Natürlich können Landkreise als Genehmigungsbehörden oder Kommunen mit ihrer Planungshoheit keine Gebiete wie den Rothaarhauptkamm pauschal für Windenergie ausschließen. Hinter der Resolution mit Empfehlungscharakter steckt vielmehr taktisches Vorgehen.

Resolution sollte Signal sein, Waldgebiete grundsätzlich nicht aus dem Landschaftsschutz zu entlassen

Denn tatsächlich hatte die Breuer-Verwaltung offenbar vor allem im Sinn, deutliche Signale an die Kommunen des Kreises zu senden. Wenn künftig Windrad-Projekte für Waldgebiete beantragt werden sollten, so die Botschaft, würde die Kreisverwaltung einer Entlassung der betreffenden Gebiete aus dem Landschaftsschutz nicht zustimmen. Diese Entlassung oder Umwandlung aber ist nötig, um Wind im Wald Wirklichkeit werden zu lassen. Über solche Vorhaben aber darf der Kreis nur auf konkreten Antrag einer Kommune für eine bestimmte Fläche entscheiden. Es geht also immer in die Einzelfallprüfung – ein pauschales Tabu von Windenergie auf Höhenzügen des Rothaargebirges ist mithin rechtswidrig.

Paul Breuer und seine Kreisbehörde Siegen-Wittgenstein sind rechtzeitig gebremst worden bei dem Versuch, der Windenergie weitere Daumenschrauben anzulegen. Die Resolution diente also weniger dem abgestimmten Ausbau der Windenergie, sondern den Interessen von Zweckverband Naturpark Rothaargebirge, Touristikverband Siegerland-Wittgenstein und dem Zusammenschluss der Siegen-Wittgensteiner Gruppen von Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), Naturschutzbund Deutschland (NABU), Landesarbeitsgemeinschaft Natur und Umwelt NRW (LNU) sowie Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Ihre Stellungnahmen zum verhinderten Resolutionsentwurf lesen sich in Teilen wie eine Drohung an die Politik: Werde nicht jedes einzelne Windenergie-Projekt zur Absprache vorgelegt, würden „zusätzliche Schritte wie Protestkundgebungen vor Ort und Nennung aller Verantwortlichen bei Verstößen gegen das Artenschutzrecht u. Ä. [unerlässlich]“.

Für den LNU unterzeichnet Kreiskoordinator Jochen Niemand. Ein Mann, dem an sachlicher Auseinandersetzung schon an anderer Stelle wenig gelegen war. Über neue Spagat-Versuche von Landrat Paul Breuer auf Kosten geltenden Rechts und der Windenergie ist aktuell nichts bekannt. Dass es ihm ernst ist mit anderen Initiativen wie dem „Wind-Forum“, muss vor dem Hintergrund der Resolution mit Vorsicht bewertet werden.