DSCF4169 (Kopie)Äußeres Erkennungszeichen des Umweltschädlings Braunkohle ist der immense Flächenfraß, den der Abbau des Rohstoffs erfordert. Noch immer darf der Tagebau sich etwa im Niederrheinischen mit dem energiewirtschaftlichen Bedarf rechtfertigen und weiter durch das Abbaufeld Garzweiler II fressen. So die jüngste Rechtsprechung (2013) des Bundesverfassungsgerichts.

Beim Klimakiller Braunkohle führt das zum Vernichten von Natur, Wohn- und Lebensraum, um Enteignung und Zwangsumsiedlung ganzer Dörfer. Die Basis dafür legt die Politik. Sie hegt und pflegt Braunkohle als Bestandteil des Energiemixes, der sich nehmen darf, was ihm im Wege steht. Und die Gesetzgeber verfrachten die Braunkohle eben nicht an jenen Ort, wohin sie längst gehört: ins Museum für Bodenschätze, Abteilung „Aussortierte und für ungeeignet, zerstörerisch und schädlich erklärte Energieträger“.

Braunkohle-Gegnern in Nordrhein-Westfalen ist selbstverständlich jegliche Unterstützung willkommen, sei es von Privatiers, Verbänden, Rechtsbeiständen. Oder auch von der lokalen Politik, die manchmal halbherzig, oft vergeblich gegen die Leitlinien ihrer Landes- und Bundesparteien aufbegehrt.

Am Ortseingang gilt: Durchfahrt mit Windrädern verboten

Wer nun einige Hundert Kilometer weiter nach Osten schaut, wird gleichfalls das Muskelspiel lokaler Politiker verfolgen können. Gleichwohl bietet das Treiben in der Stadt Weißensee eher Anlass zur Verwunderung.

Im thüringischen Weißensee unternimmt die örtliche Politik enorme Anstrengungen, Einfluss auf die Energieversorgung der Zukunft zu gewinnen. Da wird seit Jahren mit einer Vehemenz prozessiert, als stehe das Ungetüm eines Braunkohle-Schaufelradbaggers direkt vor Weißensee und seiner stolzen Runneburg, um sie dem Erdboden gleich zu machen.

Da wird um Grund und Boden gestritten, um Durchfahrverbote. Und für einen Moment glaubt man, die Beharrlichkeit und Unerschütterlichkeit von Atomkraftgegnern zu erkennen, die einen gefährlichen Castortransport auf seinem Weg zur Aufarbeitungsanlage mit allen Mitteln stoppen wollen.

Dieser Eindruck verschwindet rasch. Ins Bild tritt Weißensees Bürgermeister Peter Albach. Der CDU-Politiker ist Gegenwind nicht gewohnt. Seine Partei hält im Stadtrat die absolute Mehrheit, er selbst übt sein Amt mit komfortablen 70 Prozent Bürgervotum aus.

Diese Machtfülle stellt sich offenbar nicht gut mit einem Thüringer Landesverwaltungsamt, das in Albachs Hoheitsgebiet hinein regiert. Konkret geht es um ein Windfeld, das im Ortsteil Ottenhausen auf dem Käferberg besteht. Weißensee hat unter Führung Albachs beharrlich versucht, diesem Park den Wind abzudrehen. Allerdings mussten die Gegner zusehen, wie 2007 die ersten Windräder in Betrieb gingen.

Peter Albach will sich wie ein Braunkohlebagger jeden Zentimeter Boden einverleiben

Es spricht rechtlich einfach nichts gegen die Ottenhausener Windräder, derer acht inzwischen mit einer Nennleistung von 16 Megawatt im Jahr etwa 38,5 Millionen Kilowattstunden Grünstrom erzeugen können. Keine Abstandsflächen, keine Naturschutzbedenken, nichts.

Da versucht Peter Albach, seinen letzten Trumpf auszuspielen.

Er kämpft. Wie der Bürgermeister einer von der Braunkohle bedrohten Gemeinde. Wie ein über den Bahnschienen hängender Antiatom-Aktivist. Buchstäblich um jeden Zentimeter Boden kämpft Albach, allerdings nicht für die Umwelt: Sein Weißensee will den Windparkbetreibern verweigern, nötige Leitungskabel durch die städtische Erde zu führen. Albachs Kommune will auch noch den Verkehr verbieten, der für Wartung, Reparatur oder sonstige Fahrten zu den Windenergieanlagen nötig ist. Wenn schon der Bau und der Betrieb des Windparks nicht rechtswidrig sind, versucht die Stadt Weißensee eben auf diesem letzten Weg, die Energiewende im Ort zu stoppen.

Gericht enteignet Flächen zugunsten der Windenergie

So sieht man sich häufig vor Gericht. Die Windparkentwickler müssen auf das Recht klagen, Kabel durch städtisches Erdreich legen und kommunale Wege für die Anfahrt nutzen zu dürfen. Dinge, um die man kein großes Aufhebens machen müsste und die in der Praxis einvernehmlich im Grundbuch festgeschrieben werden.

Weil die Stadt aber um ihr Grundbuch kämpft wie seinerzeit die Landgrafen in der Schlacht bei Weißensee gegen Heinrich den Löwen, muss Bürgermeister Peter Albach einen schmerzhaften Richterspruch verkraften.

Das Oberlandesgericht (OLG) Jena hat am Jahresende 2013 entschieden, dass die Stadt Weißensee teilweise enteignet wird. Damit die nötigen Kabel verlegt werden können. Das OLG hält es weiter für zulässig, dass der Verkehr zu den Windenergieanlagen von der Gemeinde geduldet werden muss. Dies sogar ohne Nutzungsvertrag oder dass eine Enteignung der Wege nötig würde.

Damit gerät eine letzte Trutzburg der Windenergie-Blockierer ins Wanken: der Rückfall in die Zeiten des Wegezolls. Weißensees Bürgermeister Peter Albach aber muss erst dann verzagen und seinen jahrelangen Feldzug gegen erneuerbare Energien aufgeben, wenn der Bundesgerichtshof über eine zulässige Revision des OLG-Urteils entschieden haben sollte.

Kleine Randnotiz: Die Zeitung Thüringer Allgemeine zitiert eine Sprecherin des Windparkbetreibers mit der Aussage, die Stadt Weißensee habe seinerzeit nicht nur das Gebiet auf dem Käferberg in Ottenhausen als Fläche vorgeschlagen, sondern ein Projekt mit gleich bis zu 15 Windenergieanlagen erörtert. Heute möchte Peter Albach (CDU) davon offenbar nichts mehr wissen.

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