Die Beliebigkeit, mit der die Deutsche Flugsicherung Störungen des Luftverkehrs durch Windräder unterstellt, wird zunehmend von deutschen Gerichten aufs Korn genommen. Als ein Paradebeispiel, das noch nicht von der letzten Instanz geklärt ist, darf der Windpark Sannauer Helmer gelten. Er liegt auf dem Gebiet der niedersächsischen Kommunen Ganderkesee und Lemwerder und soll den benachbarten Landkreisen Wesermarsch und Oldenburg zu insgesamt 32 weiteren Windenergieanlagen verhelfen.

Drehen könnten die Rotoren der Mühlen sich bereits. Was sie aber nicht tun. Aber der Reihe nach.

Interkommunaler Windpark will mit 5 von 32 Anlagen starten, die Flugsicherung blockiert

Der Bauantrag für zunächst fünf Windräder in Lemwerder (Kreis Wesermarsch) wird vom Projektierer Elsflether BFZ-Energie GmbH im August 2012 eingereicht. Dreizehn Monate später, im September 2013, genehmigt der Landkreis den Bau dieser Anlagen, nachdem alle immissionsschutzrechtlichen Hürden genommen worden waren. Auch hatte die Kommune Lemwerder durch einen Bebauungsplan im April 2013 die Voraussetzungen für Windenergie auf dieser Fläche geschaffen.

Diesen positiven Bescheid will die Deutsche Flugsicherungs-GmbH (DFS) plötzlich nicht akzeptieren. Die Luftverkehrskontrollbehörde sorgt im Auftrag des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BAF) für den Betrieb von Drehfunkfeuern. Sie helfen Flugzeugen beim Bestimmen der eigenen Position.

Vier der fünf Anlagen liegen in dem als sensibel geltenden Radius von 15 Kilometern um den Flughafen Bremen. Sie sollen im Abstand von elf bis 13,5 Kilometer und im Radialbereich 304° bis 310° zur Funknavigationsanlage Bremen der DFS entstehen. Das Bundesaufsichtsamt (BAF) hat kurz nach der 2013 erteilten Genehmigung für die ersten fünf Windräder in Lemwerder Klage eingereicht. Jetzt stuft die Luftaufsicht auf einmal mögliche zusätzliche Winkelfehler bei den Radarmessungen als gefährlich ein.

Im Beteiligungsverfahren haben Aufsichtsamt und Flugsicherung drei Mal nichts auszusetzen

Allerdings habe das BAF, so berichten örtliche Medien ausführlich, zu verschiedenen Zeitpunkten des Genehmigungsverfahrens keine entsprechenden Einwände formuliert. Aus 2010 liege sogar eine schriftliche Stellungnahme vor. Die Bürgermeisterin von Lemwerder pocht zudem auf eine „unbefristete Zustimmung“, die sie erhalten habe. Dennoch funken DFS und BAF auf einmal Störsignale, erteilen im August 2013 zunächst Aufstellungsverbote für 29 der 32 Windräder und gehen anschließend juristisch gegen die Genehmigungen und Bescheide der Kreisverwaltung vor.

Zu erklären ist die Blockade von Flugaufsichtsamt und Flugsicherung nicht. Die Windpark-Projektierer haben frühzeitig die Details ihrer Planung offengelegt, größtmögliche Transparenz hergestellt. Dokumentiert ist eine intensive Beteiligung der Flugaufsicht in den Jahren 2010, 2011 und 2012. Nun erfasst sie also unvermittelt eine neue Sensibilität, was die Funktionsfähigkeit der Drehfunkfeuer betrifft.

Verwaltungsgericht Oldenburg lehnt Baustopp für die ersten fünf Windräder ab

Das Verwaltungsgericht Oldenburg reagiert empfindlich auf die Gefühlsschwankungen der Luftaufsicht. Ein Beschluss vom 5. Februar 2014 lehnt vorläufigen Rechtsschutz für die DFS ab. Damit wollten die Luftraumwächter den Bau der Windräder so lange aufgeschieben, bis eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen worden ist.

Das Verwaltungsgericht kann einer Vielzahl von Argumenten der Flugsicherungsbehörden nicht folgen. Am eklatantesten ist der Verweis der Richter, dass die DFS ihre Bedenken erst formuliert, als die Genehmigung für die Windräder durch den Landkreis erteilt worden war. Nichts anderes beklagen ja die Freunde der erneuerbaren Energie: Als Beteiligte im Monate langen Verwaltungsverfahren hätte die DFS mehrfach und ausreichend Gelegenheit für Einwände gehabt. Da aber herrschte Funkstille.

Richter sehen Funksignale nicht nennenswert beeinträchtigt durch Windräder

Dies hinterlässt zunächst einen Beigeschmack, was die allgemeine Vorgehensweise der Flugsicherung angeht. Inhaltlich geht das Verwaltungsgericht im Vorgriff auf ein Urteil in der Hauptsache aber noch einige Schritte weiter.

Im Einzelnen erklärt das Gericht:

  1. Die Windräder stören die Signale zwischen Radar und Flugzeugen minimal.
  2. Die Flugsicherheit sei dadurch nicht nennenswert gefährdet.
  3. Wenn die DFS sich nach dem Bau der Windräder nicht länger auf die DVOR-Signale verlassen will, könne sie auf andere, unempfindliche Navigationsverfahren wechseln.
  4. Die DVOR-Anlagen selbst arbeiten ohnehin mit geringen Messfehlern. Auch in der Summe sei es unwahrscheinlich, dass die Anlagen der Flugsicherung maximale Winkelfehler überschreiten. Für diesen Fall könne aber die Abweichung den Piloten bekannt gemacht werden. Ferner sei es der DFS zuzumuten, ihre eigenen Anlagen technisch zu überarbeiten und Messfehler zu minimieren.

Jüngere Rechtsprechung: Aufwind für die Erneuerbaren-Befürworter

Die Einlassungen der Oldenburger Richter geben allen Windenergie-Projektierern Aufwind, die durch die weitreichende Blockade-Haltung der Flugsicherung unzählige, Gigawatt schwere Projekte aktuell nicht umsetzen können. Der Wind weht der Flugsicherung allerdings schon seit 2011 ins Gesicht. Da hatte das Verwaltungsgericht Hannover dem Veto des Bundesaufsichtsamts (BAF) gegen vier Meerberger Windräder im Umkreis der Navigationsanlage Leine (DVOR) widersprochen. Auch Hannover verneinte seinerzeit, dass die störenden Einflüsse der Windräder zu inakzeptablen Auswirkungen auf Drehfunksignale führen würden.

In der Tradition der Urteile aus Oldenburg und Hannover erwartet die Windenergiebranche nun mit Interesse ein wegweisendes Urteil vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg zur Vereinbarkeit von Windenergie und Drehfunkfeuern.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg mit dem Aktenzeichen 5 B 6430/13 ist hier nachzulesen, die Pressemitteilung des Gerichts hier.

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